1964 -1969 erste Affinitäten

Rockinger T-Shirt

So manch einer sagt, dass meine Landkarte dieser Welt nicht aus Städten oder Sehenswürdigkeiten bestände, sondern aus Plätzen, wo man gut Gitarren kaufen und gut essen kann.

Aber über diese Neigungen hinaus sind meine prägnantesten Charakterzüge, dass ich nichts glaube und ungeduldig, intolerant und leicht zu verärgern bin. Aber: Wer sich nicht ärgern kann, der wird auch nicht geneigt sein, etwas zu ändern oder etwas Neues zu kreieren!


1964

Darüber hinaus bin ich – glaube ich - bis heute mit meinen knapp 70 Jahren immer noch „hyperaktiv“. Meine Eltern hat das bestimmt genervt, aber damals war das kein „Krankheitsbild“, bei dem man heutzutage den Kindern Pillen gibt, um deren Energie zu zügeln. Mir ist es von Anfang an auf den Geist gegangen, ungenützte Zeit zu vergeuden. Ich musste schon immer etwas Aktives tun, mich „nützlich machen", um den Tag hinter mich zu bringen, etwas tun und machen, was die Leere ausfüllte, etwas, was irgendeinen vermeintlichen Erfolg verzeichnen konnte im sonst sinnlosen Tagesablauf. Z. B. Urlaub an der Adriaküste: Meine Eltern lagen blöde am Strand auf ihren Sonnenliegen, um sich braun brennen zu lassen, und ich habe mich hinter die leere Fläche zwischen Strand und Hotel-Linie begeben, um Eidechsen zu fangen, von denen es da jede Menge gab. Die habe ich dann in einem Karton im Zug mitgenommen und zuhause in mein Terrarium gesetzt. So hatte das Leben wenigstens einen Sinn! Ich konnte einfach nicht NICHTS tun. Und so ist das bis heute geblieben. Und dann kam die Sache mit der Musik auf.


Der allererste Kick:

Mitte der 60er lief im Fernsehen eine Musikserie mit dem Titel „Nashville Stars On Tour". Zu den dort vertretenen Künstlern gehörten ein gewisses Anita Kerr Quartet, ein Bobby Bare, ein Jim Reeves und insbesondere Chet Atkins. Der spielte Instrumentals und bediente bisweilen sein Bigsby Tremolo. Das hat mich voll geflasht, nicht nur der Sound an sich von dieser elektrischen Gitarre, sondern eben auch dieser Effekt des Tremolierens. Eine Gitarre musste her!
Im Alter von 13 Jahren hatte ich endlich die ersten Gitarrenunterichtsstunden. Mein Lern-Instrument war eine Klira Wandergitarre Modell „Triumphator“, gar nicht schlecht, aber ich wollte diesen Tremolo-Effekt. Also hin zum „Musikhaus Schwartz", ein paar Ecken weiter, und den Einbau eines Tremolos bestellt. Der alte „Schwartz" hat bestimmt gedacht, dass „dieser junge Mensch" nicht ganz dicht ist, aber er hat es gemacht. Auf meiner Klira thronte plötzlich ein Jazzmaster-ähnliches Chromteil, das es mir endlich ermöglichte, wenigstens ein bisschen von Chet Atkins nachzumachen.

Einen Tonabnehmer hatte ich noch nicht. Ich erinnere mich lediglich, dass ich das Mikrofon meines Telefunken-Tonbandgerätes in den Korpus über das Schall-Loch eingeführt habe und dann mit der Wiedergabe- und Aufnahmefunktion des Telefunken echt heiße Delay-Effekte erzeugt habe. Sounds like Velvet Underground! Bald kam aber auch der Framus-Pickup, und ein Freund, der mir dann den ersten Röhrenverstärker (18 Watt) baute, hat mir Pickup, Poti und Buchse verdrahtet. Ich natürlich - Damals hatte ich natürlich keine Ahnung von solchen Dingen.

Jedenfalls war das die Zeit, als die Stones, die Beatles oder etwas später die Spencer Davis Group oder die Doors mich nachts kickten, während ich mir mit meinem Transistorradio über kleine Kopfhörer deren Sounds in die Gehörgänge jagte. Und ich, verklemmt wie die meisten Jungs meiner Generation, hatte zumindest mitgekriegt, dass man als Musiker bei den Mädels weitaus mehr Chancen hatte. Jedenfalls ganz klar: Die Musik und alles was damit zusammen hing, schien einem Tore zu anderen Welten (und nicht nur zu den Mädels) zu öffnen!

Und endlich war ich zum ersten Mal verknallt. Aber das Mädel wollte mich nicht, weil ich nix Erfahrung. Man wusste zwar irgendwas, aber nicht im Detail, und meine Mutter hatte mir lediglich erklärt, dass die Frau da eine Vertiefung zwischen den Beinen hat. Dann habe ich mich aufgeführt wie ein Stalker. Hat natürlich umso weniger genutzt, großes Unglück! Dabei war meine Mutter nicht unbedingt prüde. Die hatte jahrelang ein Verhältnis mit dem Krankenhausarzt, der mich 1952 in Berlin ans Licht der Welt gebracht hat. Wie sie mir irgendwann erzählte, hat sie den immer gesietzt - auch beim Geschlechterverkehr! Diese Story muss für meinen Vater (Jurist bei der Deutschen Bundesbahn) nicht einfach gewesen sein. Man kriegt ja doch immer mit, wenn da so Sachen laufen. Dafür war der aber auch kein Kind von Traurigkeit. Nachdem er von uns gegangen war, haben wir ein Notizbüchlein gefunden, in dem unter anderem vermerkt war „Negerin – 25 Pfund“. Das war bestimmt nicht das Gewicht dieser Dame und dazu notierte man damals noch nicht politisch korrekt „Schwarze“ für die Hautfarbe einer Person. Aber damals hatte eben auch noch niemand etwas gegen Negerküsse einzuwenden …Ganz klar: Es handelte sich um die englische Währung Pfund Sterling. Und das muss gewesen sein, als ich mit ihm einen kleinen Kurzurlaub in London verbrachte. Ein Vater auf Abwegen, während ich mich in der Carnaby Street rumtrieb.

Petards Fan-Club

Einer aus unserer Klasse kam aus Marburg, wo sich die Gruppe „The Petards" (Die Knaller) mindestens als Lokalmatadoren hervortaten. Eine echt gute Band mit einem fulminanten Drummer, der mit seinem Double-Bass-Drum Set stets ein beeindruckendes Drum-Solo hinlegte, was man damals noch feierte, was mich aber alsbald genervt hat, Schlagzeug-Solos = vertane Zeit!. Jedenfalls haben wir mit einigen Mitbegeisterten den Petards-Fanclub gegründet. Welch Zeiten!

1967

The Message
Meine erste Band, „The Message“, war bald beisammen und ich stieg um auf eine Egmond-Gitarre aus Holland. Eine Art Jazzmaster mit drei sehr schlechten Luftspulen-Pickups, Drehschalter zur Pickup-Wahl und Kunstlederbezug. Genau in der Zeit ging das los mit psychedelischer Musik, Pink Floyd, Electric Prunes etc. Außerdem kam mit den Beatles die Sitar ins musikalische Geschehen. Und ich - wie die Mehrheit meiner Generation - war ja allerlei Drogen nicht abgeneigt und entwickelte eine starke Affinität zu psychedelischer Musik, wie sie damals über Pink Floyd, Doors, Electric Prunes etc. über uns kam. So war auch meine erste kommerzielle Tätigkeit im Alter von 17 Jahren, vor der Schule und in Hannovers Altstadt Haschisch zu verkaufen. Das hielt aber nicht allzu lange an, und ich wechselte mental und musikalisch über zur Spencer Davis Group. Stevie Winwood - auch knapp 18 Jahre alt - , was für ein unglaublicher Sänger, Gitarrist, Pianist und Hammond Orgel Spieler! Dieser Mann war absolut genial, wechselte dann aber - todsicher auch unter heftigem Drogeneinfluss - etwas später ins Psychedelische mit seiner Band Traffic, wo meiner Meinung nach seine musikalischen Qualitäten etwas weniger zum Zuge kamen.

Dabei fällt mir noch ein, dass meine Mutter eines Tages bei mir eine Blechschachtel mit ca. 20 Gramm Haschisch entdeckte und mich sofort zwecks "Beratung" bei einem Nervenarzt angemeldet hat. Der hat mir den ganzen Unsinn in Sachen "gefährlicher Drogenkonsum" erzählt, was bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus ging.
Dieters Egmont

Zeit meines Lebens waren mir aber nicht nur die Gitarren äußerst wichtig, sondern auch die Kocherei, bzw. Esserei. Meine Mutter (obwohl Berlinerin) war keine gute Köchin. Heiliger Joseph, wenn ich nur an den Fisch zurück denke, den sie auf den Tisch gebracht hat. Völlig zutode gekocht, trockene Eiweißfasern, die man in den Mund beförderte, daran rumkaute, bis sich im Rachenraum nur noch ein runder, harter Klopps befand, den man einfach nicht mehr in die Speiseröhre schicken konnte. Oder dasselbe mit Leber! Eine auf den Punkt in Butter (am besten mit Salbei) gebratene Kalbsleber kann eine echte Delikatesse sein, aber wenn man die zu lange brät, wird sie zur Schuhsohle und absolut ungenießbar. Jedenfalls habe ich mich aus Unmut öfters in der Küche rumgetrieben. Meine ersten Aktivitäten waren Experimente mit Eierkuchen, mehr Mehl, weniger Mehl, das Eiweiß geschlagen und untergezogen, Backpulver beigemengt usw. Und wie man die Dinger am einfachsten von einer Seite auf die andere bewegt, dreifacher Salto Mortale in der Küche mit einigen Butter-Spritzern auf dem Boden.
Dieter als Koch
Aber was hat meine blöde Mutter gedacht? „Mit dem Jungen stimmt was nicht! Wieso ist der dauernd in der Küche? Der muss wohl homosexuell sein!" Aber das war nur der Anfang. Ich nehme hier mal temporal voraus, dass das bald später los ging mit meinen ersten Freundinnen („aha, der Junge ist wohl doch nicht schwul!"). Die riefen dann natürlich mal an „Kann ich den Dieter sprechen?" Und die erste, von der sie ahnen konnte, dass ich da wohl reingesteckt hatte, nimmt sie sich vor und sagt der: „Mein Dieter, der hat so schwache Nerven. Das ist nicht gut für den, wenn Sie da zu viel Verkehr haben! Überfordern Sie den mal nicht!" Das muss man sich mal vorstellen, diese Impertinenz, diese Distanzlosigkeit, diese Ungeheuerlichkeit dieser Kriegs- und Vorkriegs-Generation! Bloß schnell weg von hier!


Ach ja, die Mädels. Was waren wir jung, 15, 16 oder so? Ca. um das Jahr 1968, noch viel zu jung und viel zu verklemmt. Man masturbierte nachts im Bett mit Schuldgefühlen oder mindestens in der Gewissheit, etwas verbotenes zu tun. Dann fing das an mit Feeten bei irgendwem zuhause, sturmfreie Bude, oder jeden zweiten Samstag gab es im Clubhaus unseres Rudervereins am hannoverschen Maschsee Tanz-Parties. Plötzlich diese neu aufgekommene, uns aufkratzende Beatmusik - oder konnte man es teilweise schon Rockmusik nennen? Nights In White Satin oder A Whiter Shade of Pale waren stets die begehrten Auslöser, unsere Leiber beim Engtanzen an das jeweilige Mädchen zu drücken. Es kam zu ersten Knutschereien, die bei heftigem Reiben aneinander bis zur Ejakulation führen konnten. Welch erste Aufregung im erotischen Bereich!

An eine Situation erinnere ich mich bis heute: Wir, d.h. ich und mein Freund Herb waren irgendwo in eine sturmfreie Bude geladen worden, irgendwie verschlug es uns mit einem Mädchen in einen Nebenraum, wir drei allein. Ich erinnere nur noch, dass ihr Nachnahme Fittkau war, und das, weil dieser Nachnahme die Assoziation an Ficken und Kauen weckte. Herb, ich und sie auf einem Sofa geflätzt, und dieses Mädchen fing, während wir sie abwechselnd knutschten, an, die Reisverschlüsse unserer Jeans aufzuziehen und sich an dem was darunter verborgen war, zu schaffen zu machen. Das war eigentlich eine geile Situation. Dieses Mädel suchte echt das Abenteuer. Aber weder Herb noch ich waren fähig oder in der Lage, daraus etwas erotischeres zu entwickeln. Wir Deppen hätten es einfach beide richtig mit ihr treiben sollen. Zu solchen Dingen ist man halt erst im fortgeschritteneren Alter gekommen. Wir beide aber ob unserer verdammten Verklemmtheit durch die verdammte Erziehung unserer verdammten Eltern quasi paralysiert, zu nichts weiterem fähig. Verdammt! Aber das waren die Anfänge.


Zeitgleich hatte ich angefangen, heimlich zu rauchen. Nachts klemmte ich mich zwischen die Gardine und das geöffnete Fenster meines Jugendzimmers, schaute in die Nacht und hatte erstmals ein Gefühl von Freiheit, eine vaage Gewissheit, dass ich wenigstens für einen Moment tun konnte, was ich wollte. Und das war der Punkt, mein Ziel: Ich wollte so bald wie möglich in der Lage sein, zu tun oder zu lassen, was ich wollte, keine Abhängigkeit mehr von Eltern, Schule, Kirche, Obrigkeit, was immer... Ich brauchte Gleichgesinnte!

1969

Café am Kröpcke

Ich hatte schon die nächste Band „Kaffee Am Kröpcke", eine Combo mit Saxophon und stilistisch ausgerichtet an Bloodwin Pig, Keith Hartley und ähnlichem musikalischen Abenteuertum. Ich glaube, man kann von mir sagen, dass ich es zeitlebens geschafft habe, meine mir enger vertrauten Mitmenschen zu beeinflussen. Und genauso habe ich – zuerst gegen den Widerstand unseres Drummers – in dieser Band das eingeführt, worauf ich stand: psychedelische Sphären. Und der Drummer hat sich dann gefügt. Nicht nur, weil wir damit einfach geil im Trend lagen, sondern auch im Einklang des damaligen Drogenmissbrauchs. Ich jedenfalls die Egmond auseinander gebaut, den Kunstlederüberzug abgepellt, den Sperrholzkorpus mit Neonfarbe lackiert, und anstelle des Steges habe ich einen gewölbten, ovalen Blechdeckel einer Arzneimitteldose draufgebaut, und fertig war die Guitar-Sitar. Über meinen Haschisch-Handel werde ich noch später noch was berichten, jedenfalls haben wir alle kräftig die Joints niedergemacht und im bekifften Kopf allerlei hippieske Kompositionen und Arrangements klar gemacht. Jawoll!

Die Bundeswehr
Wehrpass

Es ist gar nicht so unwichtig, zu erwähnen, dass ich damals mehr Zeit für all diese Dinge hatte als andere. Ich habe mich nämlich kreativ um den Wehrdienst gemogelt.  Jawoll, mit 19 bekam ich den Musterungs-Bescheid zur Wehrtauglichkeitsuntersuchung. Ich war damals schon relativ kurzsichtig, etwa minus 4,5 Dyioptrien.

 

Hoffnungsvoll brachte Ich in Erfahrung, dass man ab minus 6 Dioptrien wohl nicht eingezogen würde. Der Vater eines Nachbarfreundes war Optiker, und der hatte zufällig gerade eine dicke Brille mit über minus 6 zur Reparatur. Die hat er mir netterweise kurz ausgeliehen. Ich also schnell das erforderliche Passbild „Dieter mit dicker Brille" gemacht und ab zur Musterung. Schon in meinem Moped-Führerschein stand amtlich drin: „Inhaber darf nur mit Sehbrille fahren" und noch irgendwas mit „Stabsichtigkeit". Jedenfalls war ich kurzsichtig und das bin ich bis heute. Dem Musterungsbeamten habe ich dann meinen Führerschein vorgezeigt, der hat meine Brille vermessen, und bumms: „Ersatzreserve II. Dankeschön!" Raus war ich, nix Bundeswehr, zwei wertvolle Jahre gespart! Ganz einfach!



Als erstes habe ich aus dem Holz von Sperrmüllschränken auf dem Balkon meiner Eltern mit Stichsäge, Bohrmaschine nebst Handkreissäge-Vorsatz etc. die trichterförmigen Boxen für unsere Gesangsanlage gebaut. Watt war teuer, wie noch vor einigen Jahren der Speicherplatz in Computern. Damals versuchte man eben, allein durch die Konstruktion der Lautsprechergehäuse mehr Wirkungsgrad zu erzielen. Heute kostet eine Endstufe mit einer Leistung von 800 Watt RMS nur einen Bruchteil … ach was Endstufen mit 800 Watt gab es in den 80er Jahren praktisch gar nicht am Markt, genauso wenig wie hoch belastbare Lautsprecher, Neodym-Magnete und was weiß ich noch alles an neuerer Technologie. Und heute, Computer: Gerade begibt es sich, dass die Festplatten vom Markt verschwinden und diese RAM-Speicher deren Platz übernehmen mit 500 Gigabite Speicherplatz auf Chips! Unser erster Computer Marke „apcom“ hatte einen Arbeitsspeicher von 16kb plus 64kb Erweiterung. 1979! Damit konntest Du damals nicht mal ein Foto verschicken!