2010 - Madrid Workshop, Three Steps Ahead

L.A.
2010_01-Duesenberg-car-web

NAMM-Show und Frankfurt, wieder das Übliche, aber wie immer eine unterhaltsame Woche. Und ich fand auf einem Stand ein historisches Plakat, auf dem Eddie Van Halen mit einer Kramer Doppelhals-Gitarre, bestückt mit unserem alten Rockinger Tru Tune Tremolo, zu sehen war. Außerdem besuchten wir ein Auto-Museum, wo auch einige alte Duesenbergs und sonstige eindrucksvolle Design-Mobile zu bestaunen waren.


Der Amerikaner ist anscheinend nicht in der Lage, vernünftige Steckdosen wie unser Schuko-System bereit zu stellen. Ohne Abstützung praktisch unmöglich, das Ladegerät eines iBooks einzustöpseln. Das fällt einfach heraus. Dafür waren wir aber Duesenberg-mäßig „Three Steps Ahead“ – drei Schritte voraus. Jawoll, dieser Slogan löste Nathan’s „Not Only Works Of Art ...“ elegant ab. Zur Komplettheit: unser erster Slogan war ja “Guitars For Heroes”, damals kreiert vom genialen Harald Kadagies.

Frankfurt

Hier wurde unsere neue Roger „Saturn“ bestaunt, jedoch nicht gekauft. Und die „Tittcaster“ war ja eh mehr ein Deko-Stück!

Hannover

In Hannover hatten mittlerweile der Wiener Gregor Riefler und der Italiener Antonio Ianella als Gitarrenbauer die Arbeit aufgenommen. Dazu der Hannoveraner Andrej Lillak, der mich stets an den Barça-Fußballer Neymar erinnert, als Auszubildender. Noch mehr frischer Wind in unserer Firma.

Und in Sachen Firmen-Bepflegung waren Ines und ich ab und an in Hannover, wo ich ihr in meiner Oesterley-Werkstatt einen Raum für ihr künstlerisches Schaffen abgetreten und die nötigen Werkzeuge und Gerätschaften besorgt habe. Meiomei, eine Blechschneidemaschine und ein riesiges Schweißgerät, mit dem man sogar Edelstahl hätte schweißen können.

Das hätte alles super weitergehen können, aber irgendwann kriegten wir uns in die Haare. Dieter G.: zuviel Lärm, zuviele Telefonate, Besuche von Madrider Musikern, zuviel Unruhe. Das ist ein sehr hässlicher Druck, wenn Du Dich an einem Platz nicht mehr gelitten fühlst. Da habe ich gesagt: „Wenn Dich das nervt, suche ich mir eben ein eigenes Lokal hier in der Nähe.“ Alsbald hatte ich 200 Meter entfernt die Jamoneria gefunden, ein ehemals großer Laden für spanische Produkte wie Olivenöl, Käse, Schinken aller Art, etc. samt großen Schaufenstern und riesigem "Sotano" (Keller), und als ich den Mietvertrag unterschrieben hatte, war das auch nicht recht, und wir haben uns mehr oder weniger einvernehmlich getrennt. Nach etwas mehr als drei Jahren. So kann es eben kommen. Schade! Heinz Rebellius hatte uns ja kurz vorher besucht und diese schöne Story für Gitarre & Bass geschrieben. Ihr habt’s gesehen.

Und nun? ...


Dieter, el Aleman, der Deutsche, ganz allein im großen Madrid. Ein unruhiges, aber auch sehr kreatives Jahr. Allerlei unnütze Frauenbekanntschften, nichts wirklich dabei.

2010 Madrid, Calle Marqués de Mondejar Works

Zum Glück hatte ich diese Lieblingskneipe, das „Cacu“, die mir sehr am Herzen lag. In dem winzigen Laden hing ein Haufen verrückter Leute aus aller Herren Ländern rum. Im „Barrio" allerdings ging es bergab. Das mir zwischenzeitlich so vertraut gewordene Stadtviertel erinnerte mich immer ein wenig an das „alte“ Formentera. Die besten mir lieb gewordenen Menschen wanderten ab oder starben sogar. Und somit hatte allmählich auch das Cacu erheblich an Flair verloren. Obwohl noch eine gewisse positive Restenergie an diesem Ort zu spüren war. Ausreichend für meine sehr wichtige Entscheidung: Ich bleibe in Madrid! Und Ines’ Kunst finde ich auch heute noch erstklassig, und ich wünsche ihr weiterhin allen erdenklichen Erfolg.

Meine Wohn- und Kreativstätte hatte ich nun zwar gefunden, aber sie war in einem grauenhaften Zustand, zudem gähnende Leere. Erste Zweifel: Hatte ich das alles richtig gemacht? Hätte ich nicht doch besser wieder zurück in meine sichere Heimatstadt Hannover gehen sollen? Aber Sicherheit, am Arsch … Sicherheit lullt ein und nimmt einem die Energie.

Madrid ist nicht nur eine Haupt- und Großstadt, sondern ein eindrucksvoller, quirliger Schmelztiegel jeglicher Kultur. Und immerhin  gab es da eben auch mein zweites Zuhause, diese winzige Cacu-Kneipe.

Doch als Erstes musste ich mein neues Domizil klarkriegen. Das war (s.o. Google Street-View) vorher ein großer Laden, aber in einer für Geschäfte nicht wirklich attraktiven Straße. Außerdem direkt gegenüber dem Marineministerium. Letzteres garantierte aber Einbruchsunmöglichkeit. Alles auf der Straße war kameraüberwacht, und die Marineros hatten in ihrer Angst vor Attentaten der ETA, die schon lange nicht mehr existierte, sogar eine Art „Tilt-Sender“ installiert, der jegliche Funksignale in der näheren Umgebung unterdrückte. So konnte Xman ein modernes Auto nicht mehr per Knopfdruck am Zündschlüssel öffnen. Auch das Starten funktionierte bei einigen neumodernen Fahrzeugen nicht mehr. Ein Glück, dass ich mit meinem 88er BMW davon nicht betroffen war.

Eine ganze Seitenwand meines Erdgeschosses war komplett gefliest, grauenhafte Ornamente, die außerdem einen entsetzlichen Hall im Raum generierten. Den hinteren Teil, der sich unter einer illegal errichteten Empore befand, ließ ich für mein Schlafzimmer samt integrierter Badewanne/Dusche abteilen. Oben auf der Empore ließ ich die Küche installieren. Alles nicht ganz einfach, aber das Beste, was man aus dieser Lokalität machen konnte. Und in Sachen „Küche“ muss alles vom Feinsten sein, weil ich eben sehr gern koche mit all diesen Spezereien, die es hier zu kaufen gibt.

All diese Arbeiten hat ein Franzose namens Ludo mit Hilfe einiger rumänischer Mitarbeiter ausgeführt. Die Rumänen sind super Leute und sprechen nach kurzer Zeit perfekt spanisch, weil rumänisch auch eine romanische Sprache ist, extrem einfach zu lernen für diese Leute. Neid!

Back to Madrid

Umzug

Die Umbauarbeiten schritten voran, aber leider nicht in der zeitlichen Terminierung, die ich mir vorgestellt und geplant hatte. Auf Formentera hatte ich einen ex Hells-Angels-Typen namens Ado kennengelernt, der ein Transportunternehmen zwischen Düsseldorf und Formentera betrieb. Ein echt korrekter und belesener Typ, obwohl mit Glatze und jeder Menge Tattoos, der sich aber letztlich von den Angels fortgesagt hatte. Den hatte ich gefragt, ob er mir wohl meine Sachen aus der Oesterleystraße nach Madrid bringen könnte. Deal perfekt, ich nach Hannover zum Verpacken und Einladen, sein Laster kam an in Madrid, aber meine Werkstatt war noch lange nicht fertig. So mussten wir das ganze Zeugs provisorisch im Erdgeschoss abstellen, wo die Rumänen noch die Wände verputzten und bepinselten, alles mit Abstand von den Wänden, mit Plastikplanen abgedeckt, ein dauerndes, unsinniges, aber unvermeidbares Hin- und Her-Geräume. Es gab sogar direkt am Eingang einen kleinen Lastenaufzug in den Sotano (Keller), der einem zumindest viel Schlepperei ersparte. Trotzdem: Chaos total! Und auch eine verhängnisvolle Eigenschaft des Dieter G: Ich neige oft aus reiner Ungeduld dazu, vorzeitig Termine zu vereinbaren, die andere nicht definitiv terminierte Arbeitsvorgänge torpedieren. Gemach, gemach, Dieter!

Der Sotano wurde erst weiß gestrichen. Das war mir aber zu steril, sodass ich Ludo und seine Rumänen beauftragte. einige Säulen und Wände in einem Panton-Rot-Orange zu streichen. Das sah dann ganz passabel aus für einen Keller.

Denn der Sotano (Southerain oder auch Keller) war es, wo ich meine Maschinerie positionieren wollte, die eher Staub und Späne produzieren konnte. Da war an eine Schallkabine zum stresslosen Üben mit meinen Dooros noch nicht zu denken.

Mittlerweile hatte ich „Ja-Ja-Javi“ kennengelernt („Ja-Ja-„, weil der heftig stotterte), was mich immer mental psychisch anging, da ich in jungen Volkschul-Jahren auch ein Opfer dieser Art von Sprachdefekt gewesen bin. Zuviel Stress im Elternhaus wahrscheinlich. Hatte sich bei mir aber glücklicherweise alsbald gelegt. Ja-Ja-Javi war jedenfalls ein guter Drummer, der auch immer Zeit hatte, 200 Meter von mir entfernt wohnte und unseren ersten Drummer Karim ersetzte, der oft weltweit als DJ unterwegs war und deshalb bisweilen Dooros-Konzerte nicht wahrnehmen konnte. No Drummer – no concert!
Hier sieht man Javi und seine beiden bezaubernden Rauhaardackel Angelito und Jose-Luis. Und rechts in diesem heißen Schnappschuss einen französischen Gitarrenbauer Stephan, der ein paar Ecken weiter einen Laden mit Reparaturwerkstatt betrieb.

Und Javi, ein Mann der Praxis, wusste auch, wie man eine Schallkabine konstruiert und hat das dann zusammen mit den Rumänen in die Tat umgesetzt. Sogar ein doppelwandiges Regiefenster wurde in eine Wand integriert. Es gab nur einen düsteren Part der Arbeit: den dicken Isolierschaum mit Sprühkleber an die DFM-Wände zu kleben. Das im Kleber enthaltene Verdünnungsmittel hatte eine drogen-schnüffelige Wirkung, sodass Javi und einer der Rumänen nach kurzer Installationszeit völlig bedröhnt in die „Außenwelt“ strebten. Aber letztlich ist alles gut gegangen, es hat weitaus länger gedauert als geplant, und wir hatten eine ca. 14 Quadratmeter große Übungskabine und konnten jede Menge Lärm machen, ohne Nerverei mit den Hausbewohnern zu haben.

JC-Decaux

Um ihrer wachsenden Ambition in Sachen Kunstschaffende nachzukommen, hatte Ines ihren super Job bei einer der größten Werbeagenturen Madrids (JC-Decaux - Außenwerbung - auch in Germany z.B. auf allen Flughäfen präsent) geschmissen. Nur das Designen und Herstellen einer jährlichen Trophäe für die besten Mitarbeiter dieser Firma führte sie allerdings weiter fort – auf Bitten ihres ehemaligen Arbeitgebers. Und da Künstler – zumindest in der Anfangsphase – selten zu Geld kommen, war das ein lukratives Nebengeschäft. Um nun noch die Herstellungskosten jener Trophäen zu senken, sprach ich mit einer Laser-Firma bei Hannover, die ohnehin schon für Duesenberg Metall-Pickguards produzierte. Und der Preis war heiß, viel günstiger als der des vorherigen Madrider Anbieters.

Diese Trophäen wurden auf einem riesen Event vergeben. Und so ganz nebenbei hat Ines meiner Band da unseren ersten, schon mal recht triumphalen Auftritt kurz nach Sylvester verschafft. Meine Fresse, eine echte Schickimicki-Party, mit all diesen selbstverliebten Werbern und Werberinnen.

Die Präsentatorin des Abends war eine gewisse Alaska samt ihrem Begleiter Mario Vaquerizo - beide mir absolut unbekannt, aber - wie man mir später mitteilte - in Spanien absolute Superstars.

Ein echter Yuppie-Ball. Wer denn was davon sehen möchte - Links:
Gimme Some Lovin
https://youtu.be/XSoOYNoNjB4

Break On Through To The Other Side
http://www.youtube.com/watch?v=LoLVSthMpw4&list=UUPH_jCAu4n5hEVMakB_WAJw&index=3&feature=plcp

Die Sache mit „Los Dooros“ hatte natürlich auch ihren praktischen Aspekt: jede Gitarren-Neu-Kreation konnte ich direkt im Gefüge meiner Band austesten, sodass daraus leicht neue Erkenntnisse bzw. Mängel oder Vorzüge zu verifizieren waren.

Memphis Bett

Den Fußboden meines Schlafzimmers hatte ich mit Kunstrasen belegen lassen. Ein gutes Fuß-Gefühl! Jetzt fehlte noch das Wichtigste: ein vernünftiges Bett. Am besten im Memphis-Design, jene wunderbare Kreation in Form eines Boxrings! Das habe ich dann aus DFM-Platte von einer Möbel-Firma reproduzieren lassen.



Roger Flyte Lap-Steel

Unsere Lap-Steels waren bedingt durch ihre Bauart recht teuer. So dachten wir: „Lasst uns mal ein preiswerteres Modell unter „Roger“ rausbringen!“ Ohne Bender, vielleicht auch ohne Kapo. Da gab es von der englischen Firma Burns ein interessantes Modell namens „Flyte“. Das habe ich umgesetzt in die Roger „Rocket“. Aber „Roger“ war ja von der Intention her eine Marke, unter der wir Repliken anbieten wollten, wie Strats, Teles, Thinlines etc. Die Quintessenz von all dem war jedoch, dass wir uns besser auf die größtmögliche Fertigung von Duesenberg verlegen wollten, sodass all diese Ideen letztlich auch in der Garage für nicht verwirklichte Erfindungen gelandet sind.

Noch ein Bett

In diesem unruhigen Jahr hatte ich eine gut situierte Spanierin kennengelernt, die in der Nähe von Santander (hochbürgerlichste Gegend Spaniens) ein Landhaus besaß. Ihr Bett hatte das grandiose Ausmaß von zwei Meter Breite, was uns allerlei ungehemmte Freuden beschert hatte. Mein Madrider Memphis-Bett war mir mit seinen 1,60m somit nicht mehr breit genug. Außerdem waren diese vier Pfosten mit den Gummi-Verspannungen zwar optisch sehr schön. Aber will man sich jedes Mal mit einem Hechtsprung in sein Bett katapultieren? Also habe ich mich als Gitarrendesigner über das Memphis-Design erhoben und eine praktikablere Lösung erdacht: Matratzenbreite 1,80m und nur zwei Pfosten mit Schwanenhals-Lampen am Kopfende. Dazu noch ein frontales Bett-Eingangs-Element aus mit schwarzem Leder bezogenem, festen  Schaumstoff, auf dem man es als erstes treiben konnte, ehe es weiter zur Sache ging.

Der Kottan-Kinofilm - leider peinlich, peinlich!

Wir waren dabei, seht selbst!


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Und dann wichtig, wichtig ab nach Wien für einen Drehtag des ersten „Kottan“-Kinofilms. Szenerie: Ufer eines Donau-Kanals samt Steg ins Wasser inklusive einer kleinen Bühne. Peter Patzak hat mich bestens bekümmert und ich durfte praktisch alle noch lebenden damaligen Hauptdarsteller kennenlernen. Lukas Resetarits (kaum wieder zu erkennen) war schlecht gelaunt, Chris Lohner war bester Dinge und immer noch so schön, dass ich am liebsten an ihr rumgeknabbert hätte. Und Ernie Mangold soll es in ihrem nunmehr hohen Alter immer noch mit jungen Kerlen treiben. Bibiane Zeller (Ilse Kottan – kaum gealtert) war äußerst liebenswert und Konarek (der alte Gauner Horrak) bestens aufgelegt. Udo Sahmel als neuer Pilch konnte leider Kurt Weinzierl überhaupt nicht das Wasser reichen. Ein peinlicher Vortrag! Aber schön, auch Michaela Mock, die damalige geniale Forense (Leichenbeschauerin) zu treffen. Und ein paar heiße Schuhe waren am Drehort.

Dabei sei erwähnt, dass Helmut Zenker, der geniale alte Drehbuchautor mit dem schwärzesten und bösesten Humor der Welt vor langem verstarb, und sein Sohn Jan dieses unrühmliche Drehbuch für den Kinofilm verzapft hat. Schlecht gelaufen, zumal dieses  „Werk“ das insbesondere von mir zelebrierte Erbe stark ankratzt.

Im Dezember war ich mit meiner Tochter Jule erneut in Wien zwecks Filmpremiere. Und da ging mir auf, warum der Lukas wohl so schlecht gelaunt war: dieser Film war grauenhaft peinlich. Jule fragte mich nach zehn Minuten: „Soll das  irgendwie witzig sein?“ Wir haben es dann alles über uns ergehen lassen und noch ein wenig das verschneite Wien genossen. Meiomei, da habe ich Monate langer Recherche meine zelebrative Dokumentation über diese wunderbare Serie geschrieben, und dann sowas. Die Zerstörung eines Kults!

Hier sind zweizu Recht vernichtende Links.

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=21834

http://hstreaming.zdf.de/3sat/veryhigh/101123_kottan_kuz.mov

WM-2010

Und dann wurde Spanien nach einem bangen Spiel gegen die holländische Schlachter-Crew auch noch Weltmeister! Hoch die Tassen!